Unsere Kongresse bringen Wissenschafter*innen, Praktiker*innen, Stakeholder, Expert*innen, Studierende, Lehrende und Geschäftstreibende gemeinsam an einen Ort. Hier wird der State of the Art von relevanten Feldern präsentiert, neue Entwicklungen thematisiert und Zukunftsperspektiven diskutiert. Der Austausch, die Diskussion und der Input im internationalen Kontext machen die Kongresse des pflegenetz zu einem alljährlichen Highlight.
Im Frühjahr 2020 wurden wir, im Gesundheitsberuf Arbeitende, als „Held*innen des Corona-Alltags“ beklatscht. Haben wir uns wirklich als Held*innen gefühlt?
Eine große Anzahl der Pflegepersonen sind jahrzehntelang vor dieser Pandemie regelmäßig und motiviert in die Arbeit gefahren, so auch im Jahr 2020. Aufgaben, die sich stellten, wurden seit jeher mit großem Engagement gelöst.
Im Gesundheitsbereich zu arbeiten bedeutet Veränderungen bestmöglich anzunehmen und zu akzeptieren z.B. sich rasch auf neue Krankheitsbilder, neue Behandlungsmöglichkeiten, neue Medikamente, neue Hygienevorschriften einzustellen.
Der Alltag im Krankenhaus besteht zu einem Teil aus Routine und zu einem anderen Teil aus Akutsituationen und Herausforderungen, welche nie Routine werden können. Es ist stets neues Lernen und Weiterentwicklung erforderlich.
Das Jahr 2020 als Herausforderung für die Pflegenden
Das Nervenkostüm hat durch die letzten Monate gelitten. Was ist da passiert? Diese große Unsicherheit, die in der Bevölkerung zu erkennen ist, macht auch vor dem Krankenhaus nicht halt.
Im Frühjahr zu Beginn der Covid 19 Krise ergaben sich viele Fragen und Unsicherheiten. Wie zeigt sich die Krankheit, welche Schutzmaßnahmen sind wirksam bzw. ist genug Schutzausrüstung vorhanden? Was ist, wenn diese als notwendig erachtete Schutzausrüstung aufgebraucht ist? Was, wenn wir Krankheitszeichen bei uns oder bei anderen Menschen nicht früh genug erkennen?
Herbst 2020 – wissen wir mehr?
Es wird geforscht, beobachtet, dokumentiert und analysiert. Lernen aus der Praxis. Die Krankheitsbilder sind klarer beschrieben und die geeignete Schutzausrüstung ist in ausreichender Zahl vorhanden und lieferbar. Maßnahmen die dem Schutz dienen wurden eingeführt und Informationen werden an Patient*innen und Angehörige weitergegeben. Bei richtiger Vorgehensweise kann sich der Mensch sicher fühlen.
Aber tun wir das wirklich? Fühlen und leben wir diese Sicherheit?
Kürzlich gab es eine Situation im klinischen Setting, wo nicht eindeutig zuordenbar war, ob es während eines Patientenkontaktes zu einer Infektionsübertragung gekommen ist oder nicht.
Plötzlich gingen die Emotionen hoch, es war eine unglaublich geladene Stimmung. Der Sozialraum, der zur Erholung und als Rückzugsort dienen sollte, wurde zum Hexenkessel. Die Mitarbeiter*innen aller Berufsgruppen redeten emotional und polemisierend durcheinander. Jede/jeder wusste besser, was nun zu tun sei bzw. was nicht. Eindeutige Vorgaben, die in einem solchen Fall anzuwenden sind, wurden in Frage gestellt bzw. als vollkommener Blödsinn abgestempelt. Die Diskussion verlief lautstark, anklagend und schuldzuweisend.
Warum ist das Nervenkostüm derzeit so dünn?
Die ständige Angst: „mache ich alles richtig?“ begleitet uns. Sind die Vorgaben der Vorgesetzten richtig? Sind wir am letzten Stand der Vorgaben? Sind wir möglicherweise selbst bereits Virusträger und dadurch Überträger? Sind die Maßnahmen, die wir setzen (müssen), sinnvoll? Gibt es ein Überreagieren der Politiker bzw. der Gesellschaft?
All diese Fragen, Unsicherheiten, Regeln und Änderungen des Alltags zehren an unseren Nerven. Nur ein Schlüsselreiz ist notwendig, eine kleine Aufregung und plötzlich kippt die Teamgemeinschaft und es kommt zur gegenseitigen Anfeindung. Das Nervenkostüm ist dünn!
Nicht selten provozieren solche Situationen Kränkungen und Beleidigungen, die nachhaltig andauern.
Zusammenarbeit der Berufsgruppen
Ein Stressfaktor ist in dieser besonderen Zeit auch das Zusammenarbeiten der verschiedenen Berufsgruppen.
Hausarbeiterinnen und Serviceassistent*innen, die für Reinigung, Speisenausgabe, Betten machen, und ähnliches zuständig sind, arbeiten tagtäglich an der Station.
Wie sieht es mit anderen Berufsgruppen aus, die ebenso wie die Pflegepersonen direkt an und mit den Patient*innen arbeiten? Im ersten Lockdown waren viele im Homeoffice! Das führte beim Pflegepersonal zu großem Unverständnis und zu tiefer Kränkung. Alleinegelassen und Verlassen!
Es braucht alle Berufsgruppen vor Ort
Es stellt sich die Frage warum Patient*innen gerade in Krisenzeiten keine Physiotherapie und keine Ergotherapie benötigen? Ebenso keine Psychologie und keine Sozialarbeit? Und Ärzt*innen diagnostizieren ebenfalls vom Homeoffice?
All diese Berufsgruppen gehören direkt vor Ort, direkt an der Seite der Menschen die Hilfe benötigen. Auch wenn die Regierung dazu aufruft, soviel als möglich im Homeoffice zu bleiben, sollte sich das Gesundheitspersonal der Wirkung der direkten menschlichen Zuwendung bewusst sein.
Sind die Pflegenden Held*innen?
Ob die Nerven blank liegen oder nicht. Die Pflegepersonen haben mit dieser Situation zurechtzukommen! Das wird erwartet.
Pflegepersonen arbeiten im direkten Kontakt mit den Patient*innen. Das ständige Tragen von Mund-Nasen-Schutz-Masken über durchgehend acht bis 13 Stunden bei körperlich schwerer Arbeit wird vorausgesetzt. Körperpflege bei immobilen Patient*in und mit FFP2-Maske und kompletter Schutzausrüstung ist eine Herausforderung und bringt die Pflegepersonen täglich an ihre psychischen und physischen Grenzen.
Wir, die Pflegenden können uns nicht aus dem Spiel nehmen. Wir sind da, wenn die anderen Berufsgruppen noch nicht da sind und wir sind noch da, wenn die anderen bereits gegangen sind.
Als Held*innen fühlen wir uns nicht.
Denken wir daran, wie wichtig ein gutes Team ist
Selbst wir, die geschult sind in Kommunikation und Deeskalation, schaffen es manchmal nicht sachlich zu diskutieren. Besonders dann, wenn „das Fass übergeht“. Es ist zu viel, wir schreien uns an und agieren kränkend und verletzend.
Verursacher sind diese schwierige Ausnahmesituation und die hohen Anforderungen und nicht unsere Kolleg*innen. Vergessen wir das nicht.
Wichtig ist die Entschleunigung und Entschuldigung danach. Das Erkennen, das Aussprechen, und das Veranschaulichen, dass wir ein gutes Team sind, das stets versucht sein Bestes zu geben. Und das GEMEINSAM!
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Zur Autorin
Ilse Stefan ist Bereichsleitung Pflege in der Klinik Penzing, Wien. Ilse steht jederzeit für Fragen und Informationen zur Verfügung.
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