Unsere Kongresse bringen Wissenschafter*innen, Praktiker*innen, Stakeholder, Expert*innen, Studierende, Lehrende und Geschäftstreibende gemeinsam an einen Ort. Hier wird der State of the Art von relevanten Feldern präsentiert, neue Entwicklungen thematisiert und Zukunftsperspektiven diskutiert. Der Austausch, die Diskussion und der Input im internationalen Kontext machen die Kongresse des pflegenetz zu einem alljährlichen Highlight.
Musik: BenSound
Produktion & Design: Digitales Handwerk
Das Schamgefühl zu thematisieren ist nicht ganz einfach – Scham ist unbeliebt. Trotz hoher Bedeutung für den Pflegealltag wird kaum über Scham gesprochen. Erst allmählich wird diese gläserne Schwelle thematisiert und die enorme Auswirkung auf das Gelingen von professionel-len Pflegehandlungen, auf die Bedeutung von Schutz und Sicherheit für zu Pflegende sowie auf den Zugewinn an Lebensqualität bei Betroffenen erkannt. J. Tiedemann, Psychologe und Psychotherapeut attestiert: „Für so manchen ist Scham das un-angenehmste Gefühl, das er sich vorstellen kann“. Die belastende Qualität des Schamgefühls vermag die verzweigte Psychodynamik, welche sich hinter dem beobachtbaren Verhalten ver-birgt, zu erklären. Pflege- und Betreuungskräfte stehen tagtäglich vor der Herausforderung, mit schambesetzten Situationen umzugehen. Scham tritt nicht nur auf der Seite von Pflegebedürftigen auf, Scham trifft auch die Pflegenden selbst immer wieder in unterschiedlichen Pflegesituationen. Daher ist es höchst lohnend, dem unbeliebten Schamgefühl unsere Aufmerksamkeit zu schenken und Wege aufzuzeigen, welche die Häufigkeit und die Intensität von Schamerlebnissen zu reduzie-ren helfen. Durch einen professionellen Umgang mit der Scham der/des Betroffenen und oftmals auch der Beschämtheit der Angehörigen können Pflege- und Betreuungskräfte einen entscheidenden Beitrag leisten, um den negativen Folgen wie zum Beispiel dem Ablehnen von förderlichen Pflegemaßnahmen, entgegen zu wirken. Dazu ist es wichtig, die Schamgefühle richtig zu deuten, wissen, wodurch das Schamgefühl in der Pflegesituation ausgelöst wurde, und die Ansatzpunkte zu kennen, die zur Bewältigung der schambesetzten Sprachlosigkeit führen. Wie kann das gelingen? Indem wir das Wesen der Scham verstehen und ihre positiven Funkti-onen für den Pflegeprozess nutzen. Scham trägt dazu bei, die Privatheit und Intimität zu schützen. Sie dient als eine Art Alarmsignal in Situationen, die überfordernd sind und die Integrität gefährden. Scham schützt dort, wo man Gefahr läuft, eigene Grenzen zu ignorieren. Es kann aber auch gelingen, indem wir die Schattenseiten der Scham erkennen und sie als potenzielle Auslöserin für Aggression und Gewalt in der Pflege berücksichtigen. Verdeckte Scham unter-gräbt das Selbstwertgefühl und fördert Angst und depressive Stimmungslagen. Am Beispiel der Inkontinenz, einem wichtigen Feld in der Langzeitpflege, soll aufgezeigt werden, wie die psy-chodynamische Problemkette bei verdeckter Scham das Rückzugverhalten von Betroffenen befeuert. Mit den geeigneten Strategien im Kontext professioneller Pflege und Betreuung kann ein güns-tiger Einfluss auf die Patienten-Compliance genommen und ein tragfähiges Fundament für die Beziehung zwischen Pflegeperson und zu Pflegenden geschaffen werden. Daher ist es an der Zeit, ein unbeliebtes Gefühl aus der Tabuzone zu holen und einen konstruk-tiven Umgang damit zu kultivieren.
Baumeistergasse 32/5/1
1160 Wien, Österreich
E: office(at)pflegenetz.at
M: +43 699 104 613 14
T: +43 1 897 21 10
Mit unserem Newsletter informieren wir Sie
1x monatlich über Aktuelles, Neues und Wissenswertes aus dem Gesundheits-, Pflege- und Sozialbereich.
© pflegenetz 2023